Evangelische Perspektiven

Flucht und Vertreibung

24.01.2016
08:30 bis 09:00 Uhr
Bayern 2

Bedenke, dass du ein Fremdling warst
Das Thema Flucht verbindet die Welt

Von Matthias Morgenroth
 

Tränen, Angst, Hilfe. Das Thema Flucht und Vertreibung geht zu Herzen. Als wären wir selbst erstaunt gewesen, welche Hilfsbereitschaft mitten im Land schlummert. Jeder von uns hat Fluchtgeschichten in der eigenen Familie. Man muss nur weit genug zurückschauen. Das Thema Flüchtlinge berührt etwas, rührt etwas auf, als würden alte, vergessene oder vielleicht auch gar nicht mehr genau erzählbare Geschichten sich in unserem Inneren wieder zu Wort melden. Vielleicht sind es die unbewusst weitergegeben Emotionen unserer Urgroßeltern, die sich melden - und die entweder zur Grundlage von aktiver Mithilfe und Mitgefühl werden oder von Angst. Inge Ammon ist 84 Jahre alt. Als sie vierzehn war, ist sie selbst geflohen, damals, aus Ostpreußen. Für sie ist es eine Selbstverständlichkeit, jetzt eine WG mit einem syrischen Flüchtling aufgemacht zu haben. Iradj Teymurian ist selbst vor vielen Jahren aus dem Nahen Osten gekommen - er weiß, wie es sich anfühlt, fremd zu sein im angeblich christlichen Abendland. In Berg am Starnberger See ist er der Gründer des Asylhelferkreises. Er spricht nicht von Flüchtlingen, er spricht von "Gästen". Es sind Menschen, wie du und ich, das will er verdeutlichen, und sie sind - auf Zeit - auf unsere Gastgeberschaft angewiesen. Auch Karin Famler weiß aus ihrer eigenen Familiengeschichte, wie es sich anfühlt, verfolgt zu werden. Ihr Urgroßvater wurde von den Nationalsozialisten ermordet. Wenn sie und ihre Mutter heute Asylbewerbern in Österreich helfen, bekommen sie erschreckende Drohungen: "Man müsste euch auch vergasen". Flucht und Vertreibung, Fremdheit und Nähe - diese Themen haben die Macht, Geister der Vergangenheit zu wecken - wir können sie zum Guten wenden oder zum Bösen.